Stucksymbolik mit Romolus und Remus erst nach 1928 - Zuvor befand sich das Symbol des Gründers der Trinitarier-Mönche "Ein Hirsch mit Geweih" am "Tiberbrunnen"
(Auszug aus der Magisterarbeit
Klaus Berghold vom Oktober 1995 an der Universität Stuttgart - zur italienischen Vollversion
der Arbeit „Quattro Fontane a Roma“ )
Die Arbeit stellt die städtebauliche Entwicklung
der Straßenkreuzung auf dem Quirinalshügel sowie die Entstehung der
Brunnenanlage auf der Kreuzung dar. Dargestellt wird die Entwicklung von der
Antike bis heute, jeweils in aufeinanderfolgenden Zeitabschnitten. Die
folgenden Abbildungen zeigen den Zustand des Gebiets um die Quattro Fontane
während der römischen Antike (Rekonstruktion von Lanciani)
und nach dem Plan des Etienne du Perac von 1577. Der
rote Punkt markiert den Ort der Brunnenanlage.
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Die Straßenkreuzung der Quattro Fontane ist dort
entstanden wo sich die antike Scheitelstraße Alta Semita
auf dem Quirinalshügel mit der Achse von Sixtus V. von der Kirche S. Maria
Maggiore zur Piazza del Popolo schneidet. Dabei ist
die Alta Semita aufgrund ihrer örtlichen Lage auf dem
höchsten Bereich des Quirinalshügels dadurch entstanden, dass sie durch einen
frühen Tempelbereich Roms verlief. Wobei die heutige Via delle Quattro Fontane
eine rein geometrische Verbindung zweier Punkte ist, die durch ihr ständiges
auf und ab für eine Verbindungsstraße so ungeeignet war, dass das Achsenprojekt
an der S. Trinita dei Monti
scheiterte. Später wurde die Verbindung durch die Spanische Treppe zur Piazza
del Popolo hergestellt.
Sowohl die Straßenkreuzung der Quattro Fontane als
auch die an der Kreuzung liegende Kirche San Carlino entstammen der Tradition
einer Architektenfamilie. Domenico Fontana, der die Idee von Papst Sixtus V.
ausführte, Roms wichtige Punkte mittels perspektivischer Achsen zu verbinden,
war zugleich der Onkel des Baumeisters Maderno. Maderno, der das Langhaus von St. Peter erbaute, war wieder
Onkel und zugleich Lehrmeister Francesco Borrominis. Letztendlich wurde nach
dem Tod von Borromini die Schaufassade vor der Kirche durch dessen Neffen zu
Ende geführt. Der folgende Stich des Lievin Cruyl von 1665 zeigt den Zustand der Kirche vor dem Bau der
Schaufassade.
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Als Sixtus V. in dem verfallen Stadtteil Roms
antike Aquaedukte wiederaufbauen ließ, bot sich auch für Privatpersonen wie Muzio Mattei die Möglichkeit ihre Stadthäuser mit Wasser zu
versorgen. Innerhalb weniger Jahre bildete sich dadurch auf dem im Mittelalter
unbebauten Bereich auf dem Quirinalshügel eine dichte Bebauung mit Palästen
wohlhabender Bürger. Voraussetzung dafür war die Vergabe kostenloser
Wasserpatente für den Bau halböffentlicher Brunnen. Drei der von dem Privatmann
Muzio Mattei erbauten Brunnen befinden sich an
Palästen. Dem Palazzo Albani del Drago, dem Palazzo Barberini und dem
Quirinalspalast. Der vierte Brunnen ist in die Fassade der Kirche San Carlino
eingebaut. Die folgenden Abbildungen zeigen den Zustand der Brunnen im Sommer
1994.
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Die um 1588 erbauten Brunnen mit über zwei Gebäudestockwerke
reichenden Brunnennischen und über deren Becken angeordneter Brunnenskulptur
wurden später in ihren Dimensionen auf die barocken Gebäudefassaden an der
Straßenkreuzung angepasst. Nach Fertigstellung der ersten Bauphase von
Borrominis S. Carlo, besaßen die Brunnen noch nicht ihre endgültigen
Brunnennischen mit Verzierung der Rückwand. Jedoch hat Cortona
den Diana-Brunnen fertiggestellt und vielleicht auch die Skulptur des Aniene. Es ist zu vermuten, dass der Tiber-Brunnen mit der
Kirchenfassade etwa um 1698 die verzierte Rückwand erhielt.Die
Ornamente des Tibers und der Nymphe sind mehrfach in Stuck umgestaltet worden. Romolus und Remus mit der Wölfin, sind wie die Arbeit
aufzeigt, Produkte des 20. Jahrhunderts. Ursprünglich hatte der Tiber als
Symbol einen Hirsch, der auf Felix von Valois, den Mitbegründer des Trinitarierordens verweist. Dieses Symbol geht eindeutig
auf die Trinitarier als Bauherrn der San Carlo alle Quattro Fontane zurück.
Da der Stil und die Ornamentik der Brunnennischen-Rückwände
von Egeria- und Tiber übereinstimmen, dürften beide zeitgleich entstanden sein.
Die beiden Brunnenfiguren sind aufgrund der manieristischen Ausführung älter
als die Brunnenanlage selbst. Deswegen ist es wahrscheinlich, dass sie schon
vor dem Brunnenbau als Flussgott und Nymphenskulptur
in einem der Weingärten auf dem Quirinalshügel aufgestellt waren. Durch die
manieristische langgestreckte und verdrehte Gestalt unterscheidet sich der
Tiber deutlich von den in Rom gefundenen antiken Flussgöttern. In der Vinea
Ferrara befand sich nachweislich um 1570 ein liegender Flussgott, dessen Kopf
in Stuck ergänzt war. Im Dienst des Kardinals Ferara
stand auch Gillis van den Vliete und Giovanni
Battista della Porta, die eine Tiberstatue um 1567
restaurierten und in der Villa d´Este in Tivoli
Brunnenplastiken nach dem Entwurf von Ligorio
ausführten. Wahrscheinlich sind der Tiber und die Nymphe der Quattro Fontane
bereits vor dem Brunnenbau im Umfeld dieser Künstler entstanden und später in
die Quattro Fontane integriert worden. Die beiden anderen Brunnen erhielten
dann Steinskulpturen, die als Diana und Aniene, die
schon bestehenden Figuren ergänzen. Diese sind jedoch stilistisch etwa 50 Jahre
später als die bestehenden Figuren entstanden und dem Ideale Classico zuzuordnen.
Der Brunnen vor S. Carlo alle
Quattro Fontane
Stucksymbolik mit Romolus und Remus erst nach 1928 - Zuvor war das Symbol des
Gründers der Trinitarier-Mönche "Ein Hirsch mit Geweih"
In die Fassade von S. Carlo ist
eine Rundbogennische eingebaut. In dieser Nische liegt der in der Photographie
1 dargestellte Flußgott auf einem Postament. Das
Wasser spritzt aus einem Steinkrug in das darunterliegende Brunnenbecken. Da
der rechte Arm des Flußgottes auf den Krug
aufgestützt ist, ist der Oberkörper stark aufgerichtet. Dadurch bildet die
Liegefigur, ausgehend von der Fußspitze, über das Knie, das Füllhorn und den
Kopf, eine diagonale Achse in der Nische. Der Flußgott
und alle Symbole, die unterhalb dieser Diagonale liegen, sind in Travertingestein ausgeführt. Im Gegensatz dazu sind das
darüber befindliche Stalaktitengewölbe mit dem davor stehenden Feigenbaum und
das eigentliche Symbol des römischen Flußgottes
Tiber, nämlich Romulus, Remus und die Wölfin, in Stuck ausgeführt. Wie auf
einem Stich von Lievin Cruyl
von 1665 dargestellt ist, fehlte 1665 die Wölfin mit den Zwillingen. In einem
Stich von Specchi von 1698 hat die Rundbogennische
die heutige Höhe und, wie im Original des Stichs sichtbar ist, als Stucksymbol
einen Hirsch mit riesigem Geweih. Die Stiche sind in sehr guten Kopien
einsehbar in der Bibliotheca
Hertziana .
In den Photographien 1 läßt sich auch heute noch die Größe des Hirsches dadurch
abschätzen, daß im rechten Teil über der Wölfin die
Stalaktiten fehlen. Die Umgestaltung der Brunnennische mit Stalaktitenhintergrund
und Hirsch erfolgte zusammen mit dem Bau der Schaufassade von S. Carlo delle
Quattro Fontane zwischen 1667-69 durch Rospigliosi
Während der zweiten Bauphase der
Kirche entstand die heutige kleinere Rundbogen-nische mit dem Hirsch aus Stuck.
Der Hirsch ist als Attribut für einen Flußgott völlig
fehl am Platz. Da es sich nicht um ein klassische Symbol eines Flußgottes handelt, liegt es nahe, daß
die Trinitarier als Eigentümer des Brunnens ein ihrem Glauben entsprechendes
Symbol beifügten. Im unteren Geschoß der Schaufassade von St. Carlo findet sich
der in Photographie 10 dargestellte Hirschkopf mit Geweih. Dieser weist auf den
durch die Trinitarier in der Kirche verehrten Felix von Valois hin und wurde
1677 durch Simone Giorgi ausgeführt. Felix von Valois
war Mitbegründer des Ordens der heiligen Dreifaltigkeit (Trinitarier). Er ist
meist mit weißem Hirsch dargestellt, der zwischen dem Geweih ein blaues oder
rotes Kreuz trägt.
In Stichen des 19. Jahrhunderts ist
der Flußgott jeweils ohne Hirsch oder Wölfin
dargestellt. Auch auf Photographien aus dem Jahr 1928 fehlen diese Attribute.
Die Wölfin und die Zwillinge aus Stuck wurden erst nach 1928 bei einer
Restaurierung angebracht.
(Hinsichtlich weiterer Details möchte ich auf die
Magisterarbeit verweisen, die an der Universität Stuttgart eingesehen werden
kann) - Copyright Klaus Berghold