Auf schmalen Graten - hoch über
Zermatt
Obergabelhorn
4063m und Zinalrothorn 4221m
Im August 2012 fand im
Rahmen des Kursprogramms des Deutschen Alpenvereins Sektion Schwaben eine Hochtour
statt, mit dem Ziel zwei anspruchsvolle 4000er im Wallis zu besteigen. Die Tour
wurde von Klaus Berghold, Hochtourenführer des Alpenvereins,
durchgeführt und konnte mit der erfolgreichen Begehung beider Gipfel durch
alle 4 Teilnehmer abgeschlossen werden. Der Bericht stammt von Sven Janson;
Bilder von Klaus Berghold.
Den ersten
Blick auf die hohen Gipfel des Wallis erhaschen wir bereits bei der Anfahrt vom
Furka-Pass aus. Bei klarem Wetter kommen Dom, Täschhorn und Weißhorn
in Sicht, die etwa 80 km Luftlinie entfernt sind. Natürlich geht es erst
in Zermatt richtig los. Vom Bahnhof aus laufen wir die luxuriöse
Einkaufstraße hoch, um sie irgendwann scharf rechts zu verlassen. Der Weg
führt steil hinaus aus dem Ort und eine Ecke weiter kommt schon das
Matterhorn in Sicht, dass diesmal nicht das Ziel sein soll. Kontinuierlich
steigen wir an diesem heißen Freitagmittag nach oben, nicht ohne
zumindest die erste gastronomische Gelegenheit für eine kurze Erfrischung
zu nutzen.
Ich liebe diese
ersten Stunden auf einer Tour, wenn man fühlt, dass man die Hektik hinter
sich lässt, während man mit Ruhe nach oben steigt, über die
Baumgrenze, wo die Wiesen noch saftig aussehen und die Gebirgsbäche
reißend entgegen der eigenen Aufstiegsrichtung fließen. Es ist ein
weiter Weg zur Rothornhütte auf 3200m, wofür wir - das sind Gerd,
Karlheinz, Sven und Klaus – mit den schweren Gebirgsrucksäcken mit
der Eis- und Kletterausrüstung etwa 5 Stunden brauchen. Aber es tut gut
aufzusteigen und zu schwitzen nach dieser doch längeren Zeit im Auto von
Sindelfingen bis Täsch. Immer steiler wird der Aufstieg. Im gleichen
Maße gehen die saftigen Wiesen zurück und die karge Welt der
Gletschermoränen empfängt uns. Die Dufourspitze im Monte Rosa-Massiv,
der zweithöchste Berggipfel Westeuropas, taucht hinter uns auf. Man merkt
die dünner werdende Luft – trotzdem erreichen wir noch
pünktlich zum Abendessen gegen 18 Uhr die Hütte. Erst als ich auf der
Terrasse stehe erkenne ich, dass man von hier einen Blick auf fast alle
4000er-Gipfel um Zermatt hat.
Morgens um 4
Uhr stehen wir nach dem kargen Hüttenfrühstück mit Tee, Brot,
Butter und Marmelade abmarschbereit vor der Hütte. Sehr bald betreten wir
mit Klettergurten, Seil und Steigeisen gerüstet den Triftgletscher. In
diesen tieferen Lagen ist er wohl tagsüber stark durchfeuchtet gewesen, da
wir neben den Spalten auch über mehrere angefrorene
Wasserläufe springen müssen. Es ist sternenklar aber der Mond
leuchtet uns nicht. Somit ist es stockdunkel und ich bin dankbar um die
Führung von Klaus der unbeirrt den Weg in der Dunkelheit findet. Vorbei an
einem Gletscherbruch geht es bald steil nach oben in Richtung der Ostschulter
der Wellenkuppe. Dort stößt der Gletscher an die Felswand und wir
beginnen nun an der etwa 400m hohen Felswand zu klettern. Wir klettern nun in
Zweimann-Seilschaften und sichern am laufenden Seil indem ständig
Zwischensicherungen am Fels angebracht werden, um das
Risiko eines Absturzes zu vermeiden. Kurz vor dem Gipfel ist Kletterei bis zum
dritten Schwierigkeitsgrad notwendig, wobei hier die Sicherungen meist selbst
angebracht werden müssen. Auf 3900m ist dann oben auf der Felswand der
Eispanzer der Wellenkuppe erreicht. Nur ein kurzer Firnanstieg trennt uns noch
vom Gipfel der Wellenkuppe.
Wir stimmen uns
hier, wo viele Seilschaften umdrehen, nochmals ab und entscheiden uns die drei
Stunden zum Gipfel des Obergabelhorns weiterzuklettern. Dazu steigt man wieder
100m ab und balanciert über einen schmalen Grat zum
sogenannten Gendarm, der etwa 100 Meter hoch ist und sich im Eisgrat des
Obergabelhorns erhebt. Am Gendarm ist ein dickes Fixseil angebracht an dem man gut
Sicherungen anbringen kann, was man aufgrund der atemberaubenden Ausgesetztheit
an diesem Turm erleichtert zur Kenntnis nimmt. Der Blick hinunter in die noch
schattige Eiswand unterhalb des Turms mit den Eisbrüchen verschlägt
einem den Atem. Nicht zu lange hinunterschauen und weiter geht es über den Fels und den anschließenden Schneegrat
in Richtung Gipfel. Ein schlecht zu sichernder Firngrat schließt sich an,
der nach links stark überwächtet ist, so dass man sich schon fragt,
ob sich unter der Schneespur noch Steine oder nur noch Luft befindet. Am Ende
geht der schmale Grat in die Gipfelfelsen des Obergabelhorns über, wo man
noch etwa 200 Höhenmeter im Fels überwinden muss. Es hat hier
schöne und anspruchsvolle Kletterstellen. Wir deponieren die Steigeisen am
Gipfelfuß und klettern entgegen der Bergführer mit Kunden, die zum
Teil vom Arbengrat herüberkommen. An einer Stelle kann man nur unter einer
großen Platte piazzen, so dass der Oberkörper mit dem Rucksack an
den langen Armen an einer Felskante hängt, während die
Füße auf Gegendruck auf einer Platte links daneben nach oben laufen.
Eine sehr beeindruckende Kletterstelle, da der Gipfel des Matterhorns in etwa 7
km Entfernung direkt gegenüber zu stehen scheint. Etwas nach 11 Uhr stehen
wir dann endlich auf dem Obergabelhorn in 4063 m Höhe.
Ein schnelles
Gipfelfoto, ein Rundblick in das Meer der 4000er und wir sind wieder auf dem
Weg nach unten. Denn der Rückweg ist hier in diesen kombinierten Routen
mit Eis und Fels meist gefährlicher als der Aufstieg. Volle Konzentration
ist hier gefragt. Das Abseilen in einer Vierer-Gruppe ist anstrengend und Klaus
hat alle Hände voll zu tun uns schnell nach unten zu bringen. Am Ende
kommen wir mit unseren beiden 50-Meter-Seilen doch recht zügig voran. Am
Spätnachmittag sind wir dann wieder zurück auf der Rothornhütte.
Mit nassen Bergschuhen wegen der vielen Bäche an der Oberfläche des Gletschers.
Erledigt aber glücklich freuen wir uns nun auf das Abendessen auf der
Rothornhütte, die übrigens von einer jungen
Baden-Württembergerin und einer Schweizerin geführt wird. Die
Stimmung auf der Hütte war auch dadurch sehr gut.
Am
nächsten Morgen stehen wir wieder um 4 Uhr bereit, um diesmal das
Zinalrothorn zu ersteigen. Nach kurzem Blockgelände hinter der Hütte
kommen wir auf den Rothorngletscher, an dessen westlichem Rand wir über
gefrorenen Firn und vereistes Geröll nach oben steigen. Am Ende des Gletschers
muss man vom Eis in einen Felskamin hinübersteigen, um auf eine höher
liegende Felsterrasse zu gelangen. Dort gibt es Stau, da außer uns Vieren
noch mehrere Bergführer mit ihren Kunden nach oben wollen. Klaus klettert
den Kamin nach oben und sichert uns nach. Wir lassen hier schnellere
Bergführer mit ihren Kunden passieren. Manche sparen sich hier in der
Dunkelheit die Sicherung, was natürlich das persönliche Risiko in
diesem absturzgefährdeten Gelände erhöht.
Wir kommen gut
am laufenden Seil gesichert am Felsaufschwung voran und steigen jetzt über
weiteres Blockgelände hinauf. Nach Querung mehrerer Firnfelder erreichen
wir einen schmalen Firngrat, der im Morgenlicht wie eine Himmelsleiter aussieht
und über den wir zur Felspyramide des Zinalrothorns hinüber balancieren.
Das Gelände am Grat flößt einem deutlichen Respekt ein, weil
man bei jedem Schritt an den Füßen vorbei weit in die Tiefe schaut
Am Ende des
Grats erreichen wir den Felsaufbau wo wir Steigeisen, Pickel und Stöcke
deponieren.
Es folgt nun
der für mich schwerste Teil der Route hinüber zum Gipfelaufbau
über sehr rutschiges, teilweise mit steilen Schneefeldern durchsetztes und
bröckeliges Gelände. Die Tritte sind ebenso wackelig wie die Griffe
und ich bin froh links vom Couloir wieder festen Fels
unter die Finger zu bekommen. In schöner Kletterei spärlich mit den
Bohrhaken der Abseilstellen gesichert geht es von hier hinauf zur sogenannten
Gabel, eine Scharte, die etwa 200m unter dem Gipfel liegt. Von dort gelangt man
in schöner Risskletterei und durch einen Durchschlupf am Grat hinüber
in die Nordwand, wo als Schlüsselstelle die Binerplatte auf uns wartet.
Diese ist zwar von der Schwierigkeit her für uns kein Problem, jedoch ist
hier das Gedränge mit den anderen Seilschaften vorprogrammiert, was Hektik
aufkommen lässt. Weiter geht es danach über einen Steilaufschwung
wieder hinauf zum Grat.
Dieser Felsgrat
ist das Schönste an der ganzen Route. An einer Stelle geht man an guten
Griffen links außen am Grat und unter den Fersen hat man über 1000m
Luft. Hier weiß man die Seilsicherung zu schätzen. Glücklich
erreichen wir den Gipfel und haben hier auch Zeit die Aussicht zu genießen.
Es ist strahlendes Wetter und ich kann nicht glauben, dass ich wirklich auf dem
Zinalrothorn sitze. Drüben sieht man die Tracuit-Hütte am Bishorn und
ich erinnere mich, dass ich vor 3 Jahren bei dieser Hütte stand und die
Nadel des Zinalrothorns für viel zu beeindruckend fand, um auch nur daran
zu denken, hier oben zu stehen. Schön ist auch der Blick nach Westen, wo
man den Montblanc in mehr als 70 km Entfernung deutlich erkennt.
Mein
Ich-bin-der-größte-Bergsteiger-der-Welt-Gefühl lässt
jedoch beim Abstieg schnell wieder nach und ich erkenne was ich noch alles
lernen muss. Zu oft löse ich besonders unten im bröseligen
Gelände noch die Bewegung von Steinen aus. Außerdem ist es eine
Kunst, in diesem Gelände schnell mit dem laufenden Seil zu sichern. Ich
bin froh, dass Klaus dies beherrscht. Bei diesen langen kombinierten Touren ist
zügiges Sichern wichtig, um nicht biwakieren müssen. Am Abend sind wir dann wieder auf der
Hütte und begießen unseren Gipfelsieg mit dem guten Dole-Wein.
Natürlich werden auch Pläne für die Bergsteigerzukunft
geschmiedet, wenn wir auch die Energiereserven in diesem Urlaub verbraucht
haben und uns
für den nächste Tag etwas mehr Wellness wünschen. Es geht wieder
zurück nach Zermatt über die saftigen Wiesen und entlang der
Gebirgsbäche – und diesmal halten wir an sogar an beiden Kneipen, um
den Schweizer Apfelkuchen und auch ein kühles Bier zu genießen.