Drei auf einen Streich
Skitour auf die 4000er Strahlhorn, Allalinhorn und Alphubel
Seit drei Stunden sind wir nun auf Tourenskiern auf dem leicht ansteigenden Allalingletscher unterwegs. Rechts ragt die fünfhundert Meter hohe Rimpfischhorn-Ostwand ´gen Himmel. Vor uns ist schon seit dem frühen Start von der Britannia-Hütte der Adlerpass (3789m) sichtbar. Aus unserer Sicht ist er nicht besonders steil, scheint aber auch nicht näher zu kommen.
Aufstieg zum Strahlhorn
Gestern Morgen sind wir sechs Schwaben aus Stuttgart in Richtung Saas Fee losgefahren, um noch am Nachmittag im Skigebiet mit der Skitourenausrüstung etwas Ski zu fahren. Als die Bahnen am Abend abgestellt wurden, haben wir uns vom Feekopf aus zu der in Nähe des Skigebiets gelegenen Britanniahütte (3030m) aufgemacht. Da Einige der Gruppe noch nicht auf höheren Bergen in den Westalpen waren, haben wir das Strahlhorn (4190m) als Gipfel geplant. Von früheren Freeriding-Touren neben den Pisten war klar, dass alle gute Tiefschneefahrer sind.
Die letzten Meter zum Strahlhorn
Nun aber war Ausdauer gefragt und wie immer in Höhen um viertausend Meter ist die Anpassung an die Höhe anstrengend. Nach etwa fünf Stunden ist endlich der Adlerpass erreicht. In der Mitte bei einer kleinen Felswand befindet sich das Skidepot, an dem Alle Steigeisen anlegen und angeseilt werden. Von hier steigt ein schmaler eisiger Grat etwa zweihundert Meter an, auf dem wir schließlich den breiten Rücken des Strahlhorns erreichen, der ganz oben in einem schmalen Felsgrat endet. Oben angelangt haben wir einen unglaublichen Fernblick: Gleich hinter dem Matterhorn ist links der Montblanc sichtbar und viel näher, etwa neun Kilometer entfernt, sehen wir die Dufourspitze (4618m), den zweithöchsten Gipfel der Alpen.
Blick vom Allalinhorn zum Strahlhorn, zur Dufourspitze und Rimpfischhorn
Beim Abstieg über den Gletscher Richtung Adlerpass fällt dann plötzlich eines der Steigeisen vom Skitourenstiefel eines Teilnehmers und bleibt in Einzelteilen liegen. Die gemeinsame Ursachenforschung zeigt auch die Nachteile der modernen, mittels Klippfeder leicht verstellbaren Steigeisen. Das Steigeisen war zwar am Schuh ordentlich festgeschnallt, jedoch kann sich die Feder verstellen, wenn die Schuhsohle selbst nicht auf der Feder steht und irgendwann fällt dann der Mittelsteg vom Steigeisen ab. Dies zeigt, dass auch die mittels Schrauben verstellbaren Steigeisen ihre Vorteile haben. Mit den neuerlich überprüften Steigeisen geht es über den Eisgrat hinab zum Adlerpass. Von oben sieht der Adlerpass bei weitem nicht so harmlos aus wie von unserer Aufstiegsroute her. Linkerhand fällt eine Steilflanke zweihundert Meter steil ab, über die wir am Morgen schon Steigeisenspuren heraufkommen sahen. Über der Steilflanke sitzend, mit Blick Richtung Stockhorn, Gornergrat und Zermatt wird schnell klar, woher dieser Pass seinen Namen hat, über den auch „die Mutter aller Skitouren“, nämlich die Haute Route führt.
Am Adlerpass
Ein besonderes Highlight hatten wir ab hier vorgesehen, wollten dies jedoch je nach Situation entscheiden. Jeder hatte die Zahnbürste im Rucksack für den Fall, dass wir uns am Adlerpass nicht für den Rückweg zur Britanniahütte entscheiden. Die attraktive Abfahrt über die Steilflanke und den Findelgletscher hinunter nach Zermatt reizte uns nun sehr. Mit etwas Adrenalin im Blut und mit den wieder angeschnallten Skiern fahren wir einzeln im Bereich der Steigeisenspuren mit entsprechender Hochachtung in die Flanke ein. Zwar ist nahe an der Felsflanke nicht mit Lawinen zu rechnen, jedoch lässt sich die Schneebeschaffenheit am Anfang schwer einschätzen. Eis, Firn oder Bruchharsch – mit Allem ist zu rechnen. Ein erstes Abrutschen, der erste Schwung eher gesprungen und schon bald stehen wir alle in den notwendigen Sicherheitsabständen atemlos im Hang. Wegen der Rucksäcke, einiger herumliegender Eisbrocken und den Bruchharschpassagen ist an ein gemütliches Abfahren nicht zu denken. Langsam fällt die Anspannung ab und nach zehn Minuten hat die ganze Gruppe die Flanke sicher gemeistert, wenn auch die steile Abfahrt mit den Rucksäcken sehr an der Kondition zehrt. Hinunter geht es nun flacher etwa zwei Kilometer auf dem Adlergletscher, immer auf der Suche nach Passagen, auf denen der Schneeharsch trägt oder der Altschnee gut zu fahren ist. Da wir nicht wissen, ob der Gletscherbruch am unteren Ende des Adlergletschers fahrbar ist, wechseln wir hinüber zum Findelgletscher und fahren weitere fünf Kilometer über diesen hinab. Vorbei an Eisbrüchen und über verschneite Spalten erreichen wir am Ende gegen 16 Uhr die Ausläufer des Skigebiets von Zermatt. Wir befinden uns jetzt im Sumpfschnee auf 2300m am Ende des Gletschers. Nach Zermatt würde ein weiter Fußweg vor uns liegen und um diesen zu vermeiden, queren wir in Südrichtung etwa eine halbe Stunde entlang der Moränen zum Grünsee. Von dort gelangen wir schließlich in etwa einer Stunde über die Talabfahrt des Skigebiets nach Zermatt. Der Übergang von Saas Fee nach Zermatt im Hochgebirge war atemberaubend und wir gönnen uns nun eine Nacht im Tal im Hotel Bergfreund in Herbriggen, wo Bergsteiger stets gut aufgenommen werden.
Aufstieg zum Allalinhorn
Am kommenden Tag haben wir zur Erholung der Glieder eine kleinere Tour auf dem Programm. Wir fahren mit der Metro-Alpin-Bahn von Saas Fee hinauf auf 3500m und steigen von dort auf das Allalinhorn, mit 4027m gerade noch ein Viertausender. Etwa zwei Stunden brauchen wir zum Gipfel und es bleibt genug Zeit, für unsere nächste Tour die so genannte Kick-Kehre zu üben, eine Spitzkehre für den Aufstieg in Steilhängen. Genau die brauchen wir für den Weg zum Alphubel (4206m), den wir für den nächsten Tag planen. Zunächst haben wir aber den Gipfel des Allalinhorn für uns allein, da wegen der ausgesetzten letzten Meter nicht alle zum Kreuz gehen. Das Wetter ist traumhaft und auch die Skiabfahrt ist ein wahrer Genuss. Auf der Nordseite ist der Schnee eben viel besser. Am Abend fahren wir dann mit Ski und vollem Gepäck zur Längfluh-Hütte, die im Skigebiet am Fuße des Alphubel steht. Der Abend auf der Hütte, zusammen mit Wirtin und ein paar Franzosen, ist kurzweilig und eine schöne Abwechslung.
|
|
Abstieg vom Allalinhorn
Ich hasse Frühstücken um fünf Uhr morgens. Nur wir sind aufgestanden, die Wirtin hat alles am Abend vorbereitet. Schon ab der Längfluh-Hütte starten wir heute mit Harscheisen, denn es geht sofort durch einen Gletscherbruch, an dessen steilen Flanken man besser nicht wegrutscht. Erst weiter oben begrüßen uns die ersten Sonnenstrahlen im Gletscherbecken. Harscheisen wieder abnehmen und weiter den langen Aufstieg über die Ostflanke hinauf, fast bis zum Alphubeljoch. Dort bleibt ein Teil der Gruppe zurück und wir machen uns an den Steilhang, an dem wir immerhin zehnmal die Kickkehre anwenden können. Die Haltung Einzelner, vor Allem in den steilsten Stellen, erinnert sehr an Charlie Chaplin. Was soll’s – nur hinunter fallen sollte keiner. Endlich legt sich der Hang zurück, die Spur wird flacher und es geht noch in einer letzten halben Stunde zum höchsten Punkt. Von dort sehen wir wolkenfrei alle Zermatter Viertausender und auch die Berner Alpen grüßen herüber, so sind zum Beispiel Finsteraarhorn und Aletschhorn gut zu sehen. Nebenan im selben Grat stehen das Täschhorn und der Dom, die von dieser Seite schwierig zu besteigen sind.
links Monte Rosa mit Dufourspitze, rechts davon Lyskamm, Castor, Pollux und Breithorn-Massiv
Die Abfahrt zwischen und durch die Eisbrüche verlangt einiges an Vorsicht, auch wenn wir wegen des guten Altschnee-Zustands auf angeseiltes Abfahren verzichten. Viel Freude machen die schnellen Seitenwechsel auf der Abfahrt, wobei wir fast einen halben Kilometer über den Gletscher fräßen, um Spaltenzonen oder Bruchharschhängen auszuweichen. Aufgrund der vielen Gletscherbruchzonen ist der Alphubel doch schon einiges exklusiver als die beiden anderen Viertausender.
Aufstieg zum Alphubel
Am selben Tag auf dem Heimweg zurück nach Stuttgart, wirken die letzten drei Tage wie ein Traum, haben wir doch bei ungewöhnlich wolkenfreiem Wetter und bester Sicht alle geplanten Gipfel erreicht. Aufgrund der besonders warmen Verhältnisse im März waren die Skiabfahrten meist durch schwer zu fahrenden Harsch geprägt, wie dieser eher Anfang Mai in dieser Höhe anzutreffen ist. Die Abfahrten vom Strahlhorn in der einsamen Gletscherlandschaft nach Zermatt und vom Alphubel nach Saas Fee werden uns allen noch lange in Erinnerung bleiben.
Klaus